Fachkräftemangel darf nicht zu Absenkung von Standards führen
Nordrhein-Westfalen/ Die geplante Änderung der Personalverordnung für Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen stößt bei den in ver.di organisierten Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen auf scharfe Kritik. Insbesondere die Möglichkeit, dass in Ausnahmefällen nur noch eine sozialpädagogische Fachkraft für bis zu 60 Kinder zuständig sein soll, stellt aus Sicht der zuständigen Gewerkschaft ver.di eine Gefährdung der Betreuungsqualität und eine unzumutbare zusätzliche Belastung für die Beschäftigten dar.
„Mit dieser Maßnahme wird nicht nur die Belastungsgrenze des ohnehin chronisch überlasteten Kita-Personals weiter überschritten, sondern auch das Wohl der Kinder aufs Spiel gesetzt. Es ist das Eingeständnis, dass im Zweifel das Motto `Hauptsache Aufbewahrt´ und nicht die kindgerechte Erziehung und Bildung gilt“, erklärt ver.di-Landesfachbereichsleiterin, Andrea Becker.
Der erweiterte Einsatz von Ergänzungskräften, die die sozialpädagogischen Fachkräfte ersetzen sollen, erscheine auf den ersten Blick als pragmatisch, löse aber das Grundproblem des massiven Fachkräftemangels nicht. „Qualifizierte Betreuung und frühkindliche Bildung erfordern fundiertes Fachwissen, das nur durch eine umfassende Ausbildung gewährleistet werden kann“, so Becker. Gleichzeitig werde die wertvolle Arbeit, welche Ergänzungskräfte im Alltag der Kita leisten über Gebühr beansprucht.
Es sei wissenschaftlich belegt, dass eine qualitativ hochwertige Betreuung in den ersten Lebensjahren essenziell für die Entwicklung von Kindern ist. Eine derart drastische Absenkung des Personalschlüssels, wenn auch temporär, bedeute in der Praxis, dass eine einzelne Fachkraft unmöglich auf die individuellen Bedürfnisse von bis zu 60 Kindern eingehen kann – schon gar nicht in herausfordernden Situationen wie bei Konflikten, Notfällen oder der Unterstützung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen.
Gefahr für Kinder und Personal
Laut ver.di birgt die geplante Regelung zudem erhebliche Risiken:
- Für die Kinder: Weniger Fachpersonal bedeutet weniger Schutz, Förderung und Aufmerksamkeit. Gerade bei kleinen Kindern oder Kindern mit Behinderungen kann dies schwerwiegende Folgen haben.
- Für die Mitarbeiter: Die ohnehin hohe Belastung wird durch solche Maßnahmen ins Unerträgliche gesteigert. Es ist zu befürchten, dass dies zu einer weiteren Abwanderung von Fachkräften führt und den Fachkräftemangel langfristig verschärft.
„Wir brauchen nachhaltige Lösungen statt kurzfristiger Flickschusterei! Anstatt die Standards zu senken, fordern wir nachhaltige Lösungen, die die Qualität der Kinderbetreuung sichern“, erklärt Becker.
Dazu zählen:
- Attraktivere Arbeitsbedingungen: Höhere Gehälter, bessere Arbeitszeiten und mehr Anerkennung für den Beruf des Erziehers
- Gezielte Fachkräftegewinnung: Mehr Investitionen in die Ausbildung und Umschulung von Fachkräften sowie gezielte Kampagnen, um den Beruf attraktiver zu machen
- Klare Grenzen bei Personalschlüsseln: Eine Absenkung des Mindeststandards darf es nicht geben – weder für kurz- noch langfristige Situationen – Stattdessen Aufbau zu Personalschlüsseln, die wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen
„Wir appellieren eindringlich an die Landesregierung, den Entwurf der neuen Personalverordnung zurückzuziehen und stattdessen in den Dialog mit Fachkräften, Eltern und Gewerkschaften zu treten, um nachhaltige Lösungen zu finden. Eine Absenkung der Betreuungsqualität darf nicht die Antwort auf den Fachkräftemangel sein“, so Becker abschließend.