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Kunst & KulturKay Ganahl: Technische Revolution zwischen Humor und Dystopie

Kay Ganahl: Technische Revolution zwischen Humor und Dystopie

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Kein technologischer Trend verändert das Alltagsleben der Menschen zur Zeit so stark wie die steigende Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Welchen Einfluss die Entwicklung langfristig auf Arbeit, Kultur, Politik, Privatleben und andere Bereiche haben wird, ist noch nicht abzusehen. Für den Solinger Autor und Diplom-Sozialwissenschaftler Kay Ganahl ist dies Grund genug, sich Gedanken zu machen

Von Florian Meurer/ Seine literarische Reflexionen des Themas Künstliche Intelligenz bringt Ganahl in seinem neuen Buch „KI Leben“ heraus, welches im Februar diesen Jahres im Grille Verlag erschienen ist. Seinem eigenen Anspruch, die technische Entwicklung „auf dem Wege des Geschichtenerzählens“ zu erkunden, geht der Autor hier in 62 Kurzprosabeiträgen nach. Angereichert wird der Erzählband durch themenbezogene Abbildungen, die von Kay Ganahl selbst sowie dem Düsseldorfer Künstler Gregor Reuter stammen. Die Prosatexte balancieren oft sehr geschickt zwischen Gefahren und Chancen der KI. Skurrile und erschreckende Aspekte wechseln sich laufend ab. Sie werden gekonnt mit Abstechern ins Science-Fiction-Genre angereichert. Denn Ganahl spinnt die Anwendung der KI bis in Welten weiter, die für manche heutigen Leser fast absurd klingen mögen.

In der Kurzgeschichte „Homunkulus in Norditalien“ erfährt der Leser etwa von künstlichen Stellvertretern, die an die Stelle bis dato realer Politiker treten können. Angesichts einiger politischer Entscheider unserer Zeit ist diese literarische Vision gut geeignet, dass das erste Lachen beim Lesen im Hals stecken bleibt. Natürlich entdecken in solchen literarischen Welten irgendwann auch Geheimdienste das Thema KI für sich. Genial oder erschreckend? Welche Rolle spielt der Mensch noch, wenn er seiner eigenen technischen Ersetzbarkeit einen weiteren Schritt näher kommt?

Wahnwitz mit und ohne Lokalkolorit

Kay Ganahls Hauptfiguren streiten und debattieren mitunter rege mit den eigenen Mitmenschen. Angesichts einer Perspektive etwa auf im Kopf implantierte Computerchips muss das wohl auch sein. Ganz allgemein ist die Frage ob Menschen und auch Haustiere mit technischen Mitteln aufgerüstet oder durch sie ersetzt werden sollten, eine der entscheidenden im Buch. Die zu einem Rundflug geeigneten persönlichen „Engelsflügel“ die Ganahl in „Der Diederichstempel in Müngsten“ entwirft, sind da noch eine der harmloseren Anwendungen. Im Gräfrath des Jahres 2051 rechnet der Autor bereits mit dem Gebrauch per Gedankenkraft gesteuerter Kameras, was manchem Leser durchaus bedenklich erscheinen kann. Amüsante Anspielungen auf Handlungsorte in Solingen und aller Welt gehören zu den sympathischen Details, die sich durch die Erzählungen ziehen. Der Leser wird von der Klingenstadt bis in die ferne Natur Neuseelands mitgenommen. Überall trifft man dabei auf einen digitalen und oftmals pseudomenschlichen Gegenüber. Er wird von den Figuren der Erzählungen wahlweise überschwänglich begrüßt, abgewehrt oder als Kuriosität begutachtet.

Die Familien der Zukunft?   

Kritisch wird es, wenn die KI ins Privatleben einzieht. Ist der von Ganahl in „Hallo Vater“ konzipierte androide Sohn als wirklicher Wunsch für unsere Realität geeignet? Ist er eine Horror-Vision? Was wird in einer Schein-Welt aus den ehemals echten Familien? Wie sieht eine Paarbeziehung mit einem Roboter-Partner aus? Schwierig zu beantwortende Fragen, die immer drängender werden. Wirkliche Menschlichkeit hat in einer Welt der Zukunft vielleicht keinen Platz mehr. Kann es eine Familie geben, die nicht mehr komplett aus Menschen besteht? Auch die Schriftstellerei selbst gerät in den Sog ihrer eigenen technischen Unterwanderung. Kreativität ist nicht mehr nötig. Selbstverständlich gilt dies auch für die Filmindustrie. Über sie ist in „Hollywood, Kalifornien, USA/THOUGHT CONTROL“ zu erfahren, dass sie ein Vehikel zur Steuerung der Massen durch Geheimdienste ist. Die Künstliche Intelligenz hilft vorzüglich bei der Verfolgung solch finsterer Ziele. Ein unechte Katze oder die Wiederauferstehung der Beatles als KI-Band machen bei so viel Dystopie die charmanten Kuriositäten aus, die diese literarische Exkursion in die Welt der KI zu bieten hat.

Wer spricht, Mensch oder Maschine?

Was hat die KI selbst zu sagen? So könnte eine der spannenden Fragen lauten, denen Ganahl in seinem Buch mit Witz und literarischem Forscherdrang nachgeht. Denn in seinen Fiktionen sprechen nicht nur menschliche Erzählerfiguren. Ganz offen äußert sich die KI selbst und bisweilen bleibt auch seltsam unklar, ob man es als Leser mit einem Menschen oder seinem computergesteuerten Stellvertreter zu tun hat. Kay Ganahl hat diesen Ansatz offensichtlich mit voller Absicht gewählt. Immerhin trägt diese Unklarheit ganz wesentlich dazu bei, beim Leser das Gespür für den abgründigen Charakter der Künstlichen Intelligenz zu schärfen. Überall scheinen sich Dinge oder Verhaltensweisen einzuschleichen, die nicht richtig menschlich sind. Man meint fast, die Computer und ihre subitle Steuerung wittern zu können.

Bei der Reflexion des Titels kann man nach abgeschlossener Lektüre somit berechtigt fragen, ob „KI Leben“ unser Leben mit der KI oder das Lebendigwerden der KI meint. Kay Ganahl bleibt hier offen und kann aus guten Gründen keine fertigen Lösungen anbieten. Sein Buch verrät neben dem Geschichtenerzähler auch den Sozialwissenschaftler. Immerhin ist seine Kurzprosa getragen von der Frage, was aus dem Mensch an sich unter den Bedingungen der KI wird. Eine Frage, die für die Zukunft unserer Gesellschaft von enormer Bedeutung ist. Für den Literatur-Fan sind die KI-Visionen von Kay Ganahl eine dringende Empfehlung.

Foto: Kay Ganahl

Infos zum Buch

Kay Ganahl: KI Leben. Kurzprosa

Grille Verlag, 190 Seiten

ISBN: 978-3-947598-14-4

www.grille-verlag.de

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