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SolingenBrandanschläge, Vertuschung, Versäumnisse: Emotionen im Grünewald-Prozess eskalieren

Brandanschläge, Vertuschung, Versäumnisse: Emotionen im Grünewald-Prozess eskalieren

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Wuppertal/Solingen – Der Prozess um den verheerenden Brandanschlag auf der Grünewalder Straße in Solingen im März 2024 entwickelt sich mehr und mehr zu einem aufwühlenden Schlaglicht auf mögliche Versäumnisse der Ermittlungsbehörden. Neue Hinweise auf einen weiteren Brand im Januar 2022 in Wuppertal sowie emotional aufgeladene Stellungnahmen im Gerichtssaal heizen die Stimmung an.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben nun alle fünf Nebenklagevertreter ihre tiefe Enttäuschung über den bisherigen Verlauf des Verfahrens öffentlich gemacht. Besonders hart kritisieren sie die Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Brand in der Wuppertaler Normannenstraße im Jahre 2022. Diese seien zu früh eingestellt worden – trotz massiver Hinweise auf Brandstiftung. „Wir fallen hier langsam vom Glauben ab“, erklärten die Solinger Anwälte Simon Rampp und Athanasios Antonakis.

Tatsächlich hatte ein nun beauftragter Brandsachverständiger trotz zwischenzeitlicher Renovierungsmaßnahmen zweifelsfrei festgestellt: Der Brand in dem vorwiegend von Menschen mit Migrationshintergrund bewohnten Mehrfamilienhaus war gelegt worden. Noch im Jahr 2022 hatten die Behörden die Ursache als technischen Defekt eingeordnet. Ein gravierendes Versäumnis, wie sich nun zeigt. Besonders brisant: Zum Zeitpunkt des Feuers zog die damalige Lebensgefährtin des heutigen Angeklagten aus dem Gebäude aus.

Mit Spannung wurden im Prozess auch neue Ermittlungsansätze präsentiert. So wurde bekannt, dass der 40-jährige Angeklagte laut einer Ex-Freundin auch in andere bedrohliche Vorfälle verwickelt gewesen sein könnte: zerstoßene Autoreifen, ein brennender Pkw – dazu verdächtige Google-Suchanfragen wie „Tod des Privatklägers“ oder „Waffe im Darknet“. Der Vorsitzende Richter Jochen Kötter fasste das Ergebnis einer Vernehmung zusammen, äußerte sich jedoch zurückhaltend: „Was das jetzt für unser Verfahren bedeutet, sei mal dahingestellt“.

Trotzdem betonte er den aktuellen Ermittlungswillen: „Es besteht kein Zweifel daran, dass da jetzt ein gewisser Aufklärungswille der Ermittlungsbehörden besteht.“ Eine Einschätzung, die nicht von allen im Saal geteilt wurde.

Seda Başay-Yıldız, Anwältin der Nebenklage, reagierte deutlich: „Vielleicht wären die Morde in Solingen verhindert worden, wenn Sie schon da ihre Arbeit richtig gemacht hätten“, wandte sie sich scharf an die Staatsanwaltschaft. Sie reichte mehrere Anträge ein, unter anderem sollen zwei italienische Nachbarn als Zeugen gehört werden. Der eine hatte den Angeklagten wegen Körperverletzung angezeigt, die andere warf ihm Sachbeschädigung vor.

Auch ein weiterer Aspekt sorgt für Diskussionen: der Zugang des Angeklagten zur Einliegerwohnung seines Vaters, in der einschlägige NS-Literatur gefunden wurde – darunter auch das Buch „Mein Kampf“. Während die Polizei die Materialien ursprünglich dem Vater zuordnete, wirft die Nebenklage die Frage auf, inwiefern der Sohn die Wohnung tatsächlich mitbenutzt hat. Başay-Yıldız forderte, auch die Kommunikation mit dem Jobcenter in die Beweisaufnahme einzubeziehen – der Beschuldigte habe dort möglicherweise falsche Angaben gemacht.

Doch auch hier widersprach die Staatsanwaltschaft vehement. „Das ist ein völlig ungeeignetes Beweismittel“, so Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt. Man könne aus den Akten nicht eindeutig auf die tatsächliche Wohnsituation schließen.

Unterdessen gerät der Hauptgegenstand des Prozesses, der Brandanschlag an der Grünewalder Straße in Solingen, zunehmend in den Hintergrund – obwohl dieser vier Menschen das Leben kostete: ein türkisch-bulgarisches Elternpaar und ihre beiden kleinen Töchter. Zahlreiche weitere Bewohner wurden zum Teil schwerverletzt.

Die emotionale Belastung im Gerichtssaal ist spürbar. Es geht längst nicht mehr nur um juristische Fragen, sondern um die Frage, ob durch frühere Fehler und Unterlassungen mehr Leben hätten gerettet werden können. Der Prozess ist zum Symbol für das Versagen eines Systems geworden, das sich nun der Aufarbeitung stellen muss.

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