Solingen – Es ist eine Entscheidung, die weh tut – und doch kaum zu vermeiden war. Nach mehr als einem Jahrhundert kirchlichen Lebens, festlichen Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten und stillen Momenten des Gebets wird die Lutherkirche in Höhscheid ab dem Jahr 2030 nicht mehr regelmäßig für Gottesdienste genutzt werden. Das Presbyterium der Evangelischen Luther-Kirchengemeinde hat diesen Beschluss am Donnerstagabend gefasst.
Am Freitag wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter, die Gemeindeversammlung und der Lutherkirchenbauverein informiert. „Wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem wir ein ‚Weiter so‘ nicht mehr verantworten können“, erklärte Pfarrer Christian Menge, Vorsitzender des Presbyteriums, am Montag gegenüber der Presse.
„Verantwortung für die Menschen – nicht für Mauern allein“
Der Grund für die schwerwiegende Entscheidung ist eindeutig: die Finanzen. Die Gemeinde kämpft seit Jahren mit steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen. „Wir tragen Verantwortung – nicht nur für das Gebäude, sondern vor allem für die Menschen in unserer Gemeinde“, betont Menge. „Wir wollen auch künftig eine lebendige Kirchengemeinde bleiben, mit Gottesdiensten, Seelsorge, Kinder- und Jugendarbeit, Gemeinschaft und Begegnung. Das alles ist nur möglich, wenn wir uns finanziell nicht überheben.“
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Jo Luca Dillmann, Presbyter und stellvertretender Finanzkirchmeister, bezifferte die jährlichen Kosten für Versicherung, Heizung, Reinigung und Instandhaltung der Lutherkirche auf rund 210.000 Euro. „Diese Summe ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – und es ist absehbar, dass sie weiter wachsen wird“, erklärte Dillmann. Schon heute könne der Gemeindehaushalt nur noch durch Rücklagen ausgeglichen werden. „Ohne Gegenmaßnahmen würde das Defizit in den kommenden Jahren dramatisch ansteigen.“
Dank und Trauer über das Unvermeidliche
Trotz vieler Spendenaktionen und des unermüdlichen Einsatzes zahlreicher Ehrenamtlicher konnte die Entwicklung nicht aufgehalten werden. Pfarrerin Michaela Röhr fand emotionale Worte des Dankes:
„Wir sind tief berührt von dem Engagement so vieler Menschen, die sich für den Erhalt der Lutherkirche eingesetzt haben – durch Spenden, durch ihre Zeit, durch kreative Ideen. Ihnen verdanken wir, dass die Kirche bis heute in einem guten Zustand ist. Umso schmerzlicher ist es, dass uns die finanzielle Lage nun zu diesem Schritt zwingt.“
Gerade weil so viel Herzblut in der Lutherkirche steckt, fiel der Beschluss keinem Mitglied des Presbyteriums leicht. Christel von Camen spricht offen über die inneren Konflikte der vergangenen Monate:
„Wir haben uns immer wieder gefragt, ob es nicht doch noch einen anderen Weg gibt. Ich hatte viele schlaflose Nächte deswegen.“ Auch Küster Rainer Zaun, selbst seit Jahrzehnten mit der Kirche verbunden, bestätigt: „Viele von uns haben unzählige Stunden ehrenamtlich in der Lutherkirche verbracht. Diese Entscheidung schmerzt zutiefst.“
Zwischen Trauer und Verständnis
In der Gemeindeversammlung am Freitagabend war die Stimmung entsprechend gemischt. „Natürlich gab es Unmut, Enttäuschung, auch Traurigkeit“, berichtet Pfarrerin Röhr. „Aber ebenso viel Verständnis. Manche erinnerten sich sogar daran, dass schon 1976 heftig darum gerungen wurde, ob die Gemeinde eine Kirche dieser Größe langfristig erhalten kann.“
Nun soll die Lutherkirche über 2030 hinaus nicht mehr als Ort für regelmäßige Gottesdienste genutzt werden. Künftig werden die Feiern entweder im Gemeindehaus Höhscheid oder in anderen Kirchen der Region Mitte stattfinden.
Wie es mit dem Kirchengebäude selbst weitergeht, steht noch nicht endgültig fest. Sicher ist jedoch: Für viele Menschen bleibt die Lutherkirche mehr als nur ein Bauwerk aus Stein. Sie ist ein Ort gelebter Geschichte, getragener Hoffnung – und eines Glaubens, der auch ohne Mauern weiterleben wird.











