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Kunst & KulturUnd ewig küsst mich Dornröschen wach...

Und ewig küsst mich Dornröschen wach…

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Möge der Strom mit Dir sein

von Wolfgang Paul/ Entgegen der Annahme, dieser Auszug meines Buches sei vielleicht ein Märchenbuch für Erwachsene, handelt es sich doch vielmehr um das Hauptgericht „Leben im ewigen Murmeltiertag“ – und einer speziellen Rezeptur aus sehr folgenschweren Zutaten.

Man nehme:

ein komplettes Paket Humor

ein wenig Ironie

eine Prise Sarkasmus

eine Menge vieler frei erfundener Darsteller

und streue eine kleine Prise des realen Lebens ein …

Anleitung:

Dann mische man das Ganze so lange gut durch, bis die Konsistenz dem Leser ein schmackhaftes Vergnügen bereitet.

Fertig!

Ob Sie dann vom Dornröschen wachgeküsst werden oder welche weiteren Nebenwirkungen auftreten könnten, bleibt (wie bei jeder Rezeptur) abzuwarten.

Wohl bekomm‘s!

Kapitel 27 – Möge der Strom mit dir sein (Part I)

Ihr mich auch, ihr lieben sogenannten Freunde und E-Mobilitätsverweigerer! Das hat man dann davon, wenn man mit seinen besten Freunden über das Thema „E-Mobilität“ spricht.

„Waaaas, du hast dir einen elektrisch betriebenen Wagen gekauft?“ Und schon drücken mir Lars und Ole, mit mitleiderregender Miene, einen 8-ter Pack Baby-Mignonzellen in die Hand. Dabei zwinkern sie mir auch noch mit unverschämtem Grinsen zu. Zur Krönung des Ganzen lassen sie mich noch wissen: „Wolle, das ist für die Reichweitenverlängerung, falls du mal stehen bleibst mit deinem …“ – sie legen eine kleine denkwürdige Pause ein – „… mit deinem sogenannten E-Auto.“

Dann geht die leidige Diskussion auch schon los. Schließlich stehe ich als berufener Verteidiger der neuen Mobilitätsbewegung dieser fossilgeprägten Lobby der Abgas- und Stickstoffbefürworter meiner Freunde eisern gegenüber. Ich hatte es befürchtet.

„Was ist denn mit der Batterie und ihrem schlechten Umweltpackage? Gerade du, als Schein-Grüner müsstest das doch wissen, oder?“

Gut, ich machte mir ja auch Sorgen über Menschen, die von der Evolution nicht vollständig berücksichtigt worden sind. Aber ich musste sachlich bleiben, also vollkommen neutral.

Ich atmete tief ein. Sehr tief.

„Freunde, seit wann wächst Erdöl auf Bäumen oder an Sträuchern?“ schoss ich dann auch gleich los. „Bisher weiß ich nur, dass es mit vielen tausenden Litern feinstem, sauberen Trinkwasser von Verunreinigungen befreit werden muss, dann über Schiffe und Tanker in die Destillationskolonnen transportiert werden muss …“ – ich holte kurz Luft, verdammt, kostete das eine Anstrengung – „… und dort energieaufwändig in die einzelnen Fraktionen beziehungsweise Sorten getrennt wird. Dann wird es wieder in Schiffe, in Straßentanker, hineingepumpt, bis es zur Tankstelle gebracht wird.“

Mit letztem Atem presste ich noch die folgenden Worte in mein Schlussplädoyer und ich hörte förmlich den Trommelwirbel: „Und dort wird es nochmals in Erdtanks gepumpt, um am Ende von euch Umweltverweigerern wieder in eure Benzin- und Dieselgate-Fahrzeuge gebracht zu werden.“

Die kurze Pause meiner beschämten Abgas-Befürworter nutzte ich, um das Umweltmesser tiefer in ihre rußgeschwärzten Verschmutzerseelen zu stoßen.

„So, wer hat nun die bessere Bilanz – lieber Ole, lieber Lars?“

Als hätten sie nichts, wirklich nicht ein Wort, meiner Argumentation gehört, schlugen sich die beiden prustend vor Lachen auf die Schenkel.

„Na, wir können wenigstens irgendwo tanken und sind Rubbeldiekatz wieder weg, während du mit deiner „Mignonzelle extra large – oder auch Smart genannt – noch stundenlang an einer elektronischen Ladesäule stehst, falls du überhaupt mal eine findest. Wie lange war das nochmal, also die Zeit, die du für das Aufladen benötigst?“

Es hatte einfach keinen Sinn. Das sollte ich doch längst gelernt haben. Meine Freunde liebten es anscheinend, Kohlendioxid, Stickoxide, Aldehyde, Staub und Ruß, Chlor, Fluor und Phosphor sowie viele andere, lustige Kohlenwasserstoffe in die Luft zu pusten. Wie konnte ich da mit meiner sauberen Luft auch nur im Entferntesten mithalten? Die beiden armen Kerle kannten doch nichts anderes in ihrer bescheidenen, auf reine PS-Boliden reduzierten Welt, die lärmend, stinkend und erdölgetränkt war. Elektrizität war für sie unsichtbar. Die machte ihnen Angst und bereitete ihnen Unbehagen. Qualm aus den Doppelauspuffrohren, den konnte man wenigstens sehen. Anode, Kathode, erinnerten sie vielmehr an irgendwelche weit entfernten Orte eines schönen Ferienparadieses. Elektronenwanderung hingegen klang in ihren Ohren überhaupt nicht nach Spaß, eher nach einem anstrengenden Fußweg. Und wer zum Zeitungsholen sonntags mit dem 7 Tonnen schweren und 875 PS starken Fahrzeug zum Kiosk um die Ecke fährt, mit dem ist nicht über eine „schöne, neue elektrische Welt“ zu philosophieren. Meine Freunde hatten vermutlich schlicht und ergreifend zu viel Respekt vor ihr. Zudem wohnten sie in der Großstadt. Saubere Luft wäre also ein Schock für sie gewesen. Und was die beiden für einen Spaß hatten, als ich sie wissen ließ, dass ich eine längere Reise in den Süden plante, um mein Fahrzeug und die Ladestruktur in Deutschland mal auf Herz und Nieren zu testen.

Dabei bin ich ein Meister der Planung! Mühevoll hatte ich mich wochenlang durch die elektrophile Landschaft gelesen, bevor ich einen Urlaub im Süden Deutschlands planen konnte. Mit meinem E-Smart. Startpunkt: Heimathafen Wermelskirchen. Sie wissen nicht, wo das liegt? Fragen Sie meinen Freund Ole, der wird Ihnen sagen, das ist da, wo er noch nicht mal tot über dem Zaun hängen möchte. Der Ort läge am Arsch der Welt, viel zu weit weg von seiner Stammkneipe. Das erwähnt er meines Erachtens nach irgendwie etwas zu häufig. 

Und kommt Ole dann einmal aus der Großstadt Wuppertal in unser Dorf, um uns zu besuchen, sagt er immer das Gleiche: „Schön hier! Aber Mann, was willst du denn hier so weit abseits von jeglicher Zivilisation?“ Dabei breitet er die Arme immer extrem weit aus, zur Untermalung seiner Worte. In Zeichensprache und mit wenigen Worten, die klingen, als hätte ich eine Hasenscharte, gebe ich ihm zu verstehen:

„Wir haben sogar schon Elektrizität.“

Gut. Das Stichwort hätte ich nicht erneut geben sollen, denn es beschwor dunkle Wolken herauf.

Tatsächlich haben wir nicht so viel zu bieten wie es in einer größeren Stadt der Fall sein mag. Wir haben dafür direkt vor der Haustüre eine beschauliche, analoge Bauernwelt. Da gibt es viele fröhliche, freilaufende Tiere auf den Weiden. Neben glücklichen Kühen finden sich viele Schafe und ebenso glückliche Hühner, die viele nur aus digitalen Bauernhofspielen kennen. Hier bei uns schlägt man galant die Brücke zwischen bestem Bio-Fleisch aus der Dorfmetzgerei und veganen Lebensmitteln. Letztere hat mir meine Ernährungsberaterin leider verordnet – was das betraf, stand ich unter strikter Beobachtung ihrer Argusaugen. Und wehe, liebe Freunde, ich näherte mich mal den leckeren, geräucherten Würsten. Das endete dann in einer einstündigen Belehrung über Zuchthaltung der Tiere, ökologischer Bilanzierung, CO2-Problematik … und … und … und!

Ungewöhnlich, selbst für ein Dorf wie Wermelskirchen, ist unser neues, frisch in grüner Farbe gestrichenes Haus. Nicht wegen der Farbe selbst, die meinem Nachbarn sehr verdächtig vorkam, weil er die Farbe zunächst mit meiner politischen Gesinnung gleichsetzte. Es ist eher deshalb ungewöhnlich, weil wir eine große Photovoltaikanlage betreiben. Nebst Batteriespeicher, um den Eigenverbrauch zu steigern. Keinerlei fossile Anbindung, keine Gasleitung befindet sich in unserem Haus. Jedoch beherbergt es, neben mir und meiner Energieministerin, zwei ungemein gefräßige Stubentiger und zwei nicht minder stromhungrige Elektroautos. Alles in Allem bin ich wohl grüner als jeder „Grüne“. Auch ohne Parteizugehörigkeit. Denn ich mag Konsequenz!

Das durchaus stimmige grüne Konzept hingegen überzeugte, wie man gesehen hatte, weder meinen guten Freund Ole, noch meinen guten Freund Lars, die sich dem fossilen Benziner-Orden verpflichtet hatten.

 Ole gähnt beim Thema Elektrik dann auch gleich immer dermaßen demonstrativ, dass man ohne Endoskop selbst ein altes, längst verheiltes Magengeschwür hätte orten können. Er wusste genau, was jetzt von mir kam. Denn mein fossil geprägter Großstadtfreund weiß lediglich, dass Strom bei ihm aus der eingemauerten Steckdose zu kommen scheint. Auge in Auge standen wir uns gegenüber. Ein jeder vertrat dabei seinen Standpunkt. Und jeder hatte seine Argumente.

Wir hatten eigentlich ausgemacht, nie wieder über das Thema zu sprechen, aber … Herausforderung bleibt Herausforderung! Ich nahm die Challenge also an. Diesmal war aber ausgemacht, dass wir unsere Argumente in wenigen Stichworten klar darzulegen hätten. Sie sollten letztlich überzeugend auf den anderen wirken. Ole stieg gleich damit ein.

„Seltene Erden und kleine, blutige Kinderhände“ schleuderte er mir entgegen. Das war eine klare Anspielung auf meine Lithium-Ionen-Batterie. 

Ich konterte selbstsicher und zum wiederholten Male mit „Erdölbaum!“

Er wusste nur allzu gut, dass ich mit diesem einen Wort ein unerbittliches Duell heraufbeschwor. Da hätte ich auch gleich „Umweltsau“ sagen können. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Viel Reichweite,“ warf er seine Worte eloquent in den ländlichen Raum.

Lässig erwiderte ich: „AC-DC Ladesäule.“ Ohne Anspielung auf die gleichnamige Musikgruppe, versteht sich.

Es trat ein Moment unglaublicher Stille ein. Ich hörte im Hintergrund allein die Uhr mit ihrem ewigen gleichförmigen Rhythmus. Bevor ich schon einzunicken drohte, straffte sich Oles Körper plötzlich und er schlug mit einem neuen Argument verbal um sich.

„Durchfahren können, ohne Pause!“ Überaus stolz auf die „Geburt“ seiner neuen Erkenntnis, breitete sich jetzt ein gigantisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. Dennoch registrierte ich die dicke Ader an seinem Hals. Wie viel Mühe es ihn wohl gekostet haben musste, diese Worte hervorzupressen …
Aber jetzt war es an mir, ihm zu zeigen, wo der Hammer hängt: „Umweltbewusstsein!“

So, das war wohl der notwendige Schlag. Der schien zu sitzen. Dachte ich wenigstens.

„Zukunftslose Elektromobilität“ schoss er sofort nach. Die tickende Uhr hörten wir nicht mehr, als wir unsere Argumentationen weiter lautstark gegeneinander herausbrüllten. Nach etwas mehr als zehn Minuten griechisch-römischer Sportaktivitäten, die auf meiner fußbodenbeheizten Fliesenauslage stattfanden, nahmen wir atemlos an den Barhockern in der Küche Platz. Keiner von uns hatte noch Atem für eine weitere Runde des traditionellen Ringkampfes. Wir hatten alles gegeben, aber fanden keine Einigung. Lediglich in der Wahl unserer Getränke. Unserem Lieblingsgetränk, dem allseits beliebten Hopfen-Smoothie – auch unter dem Namen „Bier“ bekannt. Wir beließen es an diesem Tag bei einem Unentschieden. Das Thema mit dem großen E am Anfang vermieden wir seither wissentlich und gingen stattdessen lieber direkt zu einem gepflegten Trinkprogramm über.

Doch ich bin tief mit dem Thema verwurzelt. Geradezu infiziert. Elektrifiziert, um es genau zu sagen. Da gab es auch kein Heilmittel, wie ich immer wieder feststellte. Einige meiner besten Freunde hatten es bei mir schon mit Benzin- und Dieselexorzismus versucht. Ohne Erfolg und schon gar nicht mit Heilung. Vielleicht hatte ich mich einfach verloren, irgendwo da im weiten Netz der Elektronenwanderung. Denn ich wanderte eine Zeit lang tatsächlich ohne Ziel von einer Probefahrt zur anderen … immer neue Elektrofahrzeuge mussten her, um meine Sucht zu befriedigen. Längst war ich zum E-Junkie geworden. Zusätzlich habe ich dann noch den schlimmsten aller Fehler gemacht, den ein einzelner Mensch auf diesem Planeten nur machen kann. Ich bin einen Tesla zur Probe gefahren. Das iPhone auf vier Rädern, wenn man so will. Das war der Tiefpunkt meines Suchtproblems. Ich musste – ob ich wollte oder nicht – in die Elektronenentzugsklinik.

Durch sämtliche Selbsthilfegruppen elektrophiler Abhängiger, mit allen möglichen Suchtsymptomen, bin ich gewandert. Einige der elektrisch Infizierten hatten sich sogar unbemerkt kleine Mignonzellen oder Knopfbatterien in die Hosentasche gesteckt, bis diese von ihren Therapeuten entdeckt wurden. Unserer Sitzungsleiter versuchten wirklich ihr Bestes, mussten sich aber eingestehen, dass sie langsam an ihre Grenzen kamen. Wir alle waren schwere Fälle.

Die Gruppe wurde eines Tags, ohne Vorankündigung, einfach beendet. Erst kurze Zeit später entdeckten wir den offensichtlichen Grund dafür: Denn draußen auf dem Parkplatz der Einrichtung stellten wir fest, dass sich einige der Therapeuten nagelneue E-Autos zugelegt hatten.

Kapitel 28 – Möge der Strom mit dir sein (Part II)

Meine Rückkehr ins normale Leben verlief undramatisch. Am nächsten Morgen jedoch erfasste mich (und vermutlich all meine Elektrofreunde genauso) eine schreckliche Erkenntnis. Leichtsinnigerweise mussten wir wohl eine Tatsache übersehen haben, die wir nun ungeschönt von Annalena Baerbock, der Grünen-Politikerin höchst selbst, zu hören bekamen.

In den Fahrzeugbatterien aller Elektroautos befände sich Kobold, ließ sie uns alle in einer der vielen, sonst so uninteressanten ZDF Fernsehsendungen wissen. Sofort rannte ich zu meinem Fahrzeug, schmiss mich auf die Knie und horchte vorsichtig, minutenlang an der Stelle, wo der Batteriespeicher ungefähr sitzen müsste. Also im Fahrzeugboden. Aber: nichts!

Leise klopfte ich an den Korpus der Batterie, dann stärker, hielt inne, aber vernahm nicht ein einziges Zeichen. Nicht das Geringste. Verdammt! Was machten die kleinen nordischen Kerlchen denn da in meiner 400 Volt geladenen Batterie? Könnten die mich vielleicht für ihre Haltung auf engstem Raum verklagen? Schließlich kannte ich mich leider überhaupt nicht mit dem Rechtsanspruch der nordischen Kleinstgemeinde von Kobolden aus. Ich rannte so schnell ich konnte zurück ins Haus, griff sofort das Telefon und wählte die vertraute Nummer meiner Werkstatt. Eine freundliche Dame hauchte die schon bekannten Daten der Werkstatt in mein noch vom Horchen an der Batterie gemartertes Ohr.

„Was kann ich für Sie tun?“, flötete sie im üblichen geschäftlichen Singsang.

„Hören Sie,“ begann ich so eloquent und so freundlich wie möglich, „ich habe doch vor Kurzem einen Smart Elektrik bei Ihnen gekauft. Jetzt höre ich gerade, dass Kobolde in meiner Batterie gefangen sind. Bitte sagen Sie mir, was ich nun machen soll!“

„Ja, da muss ich Sie mal weiterverbinden, da kenne ich mich nicht aus,“ trällerte sie. „Ihre Frage kann nur ein Techniker beantworten. Wie lange haben Sie den Wagen denn schon?“

„Gut, dass Sie mich fragen, Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Sorgen ich mir gema…“

„Hallo, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“
Abrupt hatte die nette Dame wohl schon ihren Kollegen eingeschaltet. Ich wiederholte freundlichst mein Anliegen sowie meine Sorgen über die Kobolde. 

„Äh, Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen, oder?“, hörte ich den Techniker am anderen Ende.

„Was mache ich denn nun und wie verhalte ich mich, schließlich haben Sie mir das eingebrockt!“, insistierte ich, um endlich zu erfahren, wie es nun weitergehen würde und wie ich mich zu verhalten hätte.

„Wissen Sie, zuerst der Dieselskandal …“, gab ich mich empört, „… und nun auch noch das.“ Meine Stimme klang mittlerweile verzweifelt, fast schon weinerlich.  

Der Techniker am anderen Ende seufzte hörbar auf. Er sprach extrem langsam, als sei ich weit über achtzig Jahre alt. Seine Sprechweise war deutlich akzentuierter als zuvor, er betonte jede einzelne Silbe in feinstem Hochdeutsch und sprach dabei sehr langsam. Beinahe so, als hätte er es mit einem Geisteskranken zu tun. 

„Kommen-Sie-einfach-mal-vorbei. Wir-kümmern-uns-um-die-Kobolde-in-Ihrer-Batterie. Machen-Sie-sich-keine-Sorgen, dafür-ist-unser-Service-doch-da. Um-Ihnen-zu-helfen.“

Für diesen Satz benötigte er fast zwei Minuten. Er zog nicht nur jedes einzelne Wort unglaublich lang, ebenso auch die kleinen Pausen dazwischen. Ich bedankte mich, bekam gleich darauf einen Termin von der freundlichen Dame am Empfang und dachte: Mann, das ist ja mal ein super Service!

Leider musste ich den Termin aber schlussendlich dann doch wieder absagen, denn ich hatte völlig vergessen, dass meine außergewöhnliche Reise kurz bevorstand.

Wenige Tage später nämlich sollte die lang geplante Fahrt nach München endlich stattfinden. Mit nichts weniger als meinem elektrischen Miniflitzer. Die Reichweite belief sich auf etwas über 100 Kilometer. Die Strecke war auf 635 Kilometer angelegt. In meinen Vorbereitungen hatte ich mir alle verfügbaren Apps auf mein Handy geladen: eCharge+, Ladenetz, Wirelane, Plug Share, E-Ladesäulen, eMobility, MVVeMotion, Stromtankstelle, chargeMyEV, LdE, und … und … und.

Dann noch alle Ladekarten und Chips für die Säulen, denn Stromtanken muss schließlich bezahlt werden. Auch grüne Energie hat leider ihren Preis.

Dann den kleinen Kofferraum noch schnell mit allerlei Proviant beladen. Von Ole und Lars hatte ich jeweils vier Mignonzellen geschenkt bekommen. Range-Extender, hatten mich die Spaßvögel wissen lassen. Klar, das würde mir natürlich helfen! Eine Woche hatte ich eingeplant. Mit allen notwendigen Ladestopps.  

Es ging los. Nach knapp 100 Kilometern fuhr ich die erste über mein Navi geführte Ladesäule an. Defekt, las ich schon von Weitem auf dem mit großen Lettern versehenen Schild. Ich hatte noch knapp 10 Kilometer Reichweite. Die nächste Ladesäule stand auf dem gegenüberliegenden Platz der Autobahn. Die Batterie schaltete gerade ab, als ich auf den Parkplatz auffuhr, der Wagen rollte noch die letzten Meter, blieb dann abrupt stehen – exakt vor der freien Ladesäule. Schweiß mischte sich mit Erleichterung. Schnell den Stecker eingesteckt, den Aufforderungen gefolgt und … Ladefehler! Bitte versuchen Sie es an einer anderen Säule. Ich überspringe mal den Teil, der zu meiner Verstauchung am Fuß führte, weil ich zu heftig gegen die Ladesäule getreten hatte. Erst später stellte ich fest, dass es wohl an einer falschen Karte gelegen hatte. Nach einer Stunde hatte ich diese dann aber gefunden. 

Nicht nur die Ladezeit von zwei Stunden bei limitierten fünf Kilowattstunden entschleunigte meinen bisher durchaus hektischen Rhythmus auf angenehme Weise. Das war es, was ich benötigte: Ruhe. Beschaulichkeit. Wieder zu sich selbst finden. Die Blicke über die herrlich schöne Landschaft schweifen lassen. Von einer Sekunde auf die andere hörte ich den Donner und sah die Blitze am fernen Himmel aufziehen.

Im Gesamten gesehen habe ich viele wertvolle Erfahrungen auf meiner Fahrt machen dürfen. Ich habe viel Zeit mit sehr netten Menschen an Ladesäulen verbracht. Die nickten alle anerkennend, wenn sie von meinem fernen Ziel erfuhren. Mann, ich bin aber auch ein verwegener Kerl, schoss es mir durch den Kopf. Aufgrund von einigen außerplanmäßigen Ladezeiten hatte ich leider keine Zeit mehr für Übernachtungen in Hotels. Stattdessen schlief ich praktischerweise direkt auf den Wiesen, hinter den Ladesäulen. Schlafsack und Einmannzelt sei Dank – ich war wie immer exzellent auf jegliche Planänderungen vorbereitet.  

Nach drei Tagen kam ich im wunderschönen Bayern an. In Deggendorf reichte es gerade noch für eine zünftige Brotzeit, dann musste ich auch schon wieder den Rückweg antreten, wollte ich noch innerhalb meines Wochenziels bleiben. Mit nur einem Tag Verspätung kam ich wieder in meiner Heimat an.  Defekte Ladesäulen zwangen mich unter anderem bei freundlichen Landhöfen einzukehren, die mich mit hochprozentiger Landmilch, Eiern von freilaufenden Hühnern und mit frischem Landstrom versorgten. An deren Steckdosen. Und das bei beschränkter Ladegeschwindigkeit, die genauso langsam war wie das DSL meiner „Gastfamilie“. Bei ihnen verbrachte ich die überwiegende Zeit meines Urlaubs.

Und die Mignonzellen, liebe Benzin- und Dieselfreunde einer CO2-geschwängerten Umwelt, fanden ein neues, liebevolles Zuhause in meinem Digitalwecker.  

Zur Autorenhomepage:
https://autor-wolfgang-paul.jimdofree.com

Zur Buchbestellung:
https://tredition.de/autoren/wolfgang-paul-26563/und-ewig-kuesst-mich-dornroeschen-wach-hardcover-132854/


Veröffentlichungen:
https://rp-online.de/nrw/staedte/wermelskirchen/wolfgang-paul-bringt-neues-buch-in-wermelskirchen-raus_aid-50622683

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