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SolingenSuperintendentin zu sexualisierter Gewalt in der Kirche: "Ich bin froh, dass die...

Superintendentin zu sexualisierter Gewalt in der Kirche: „Ich bin froh, dass die Studie durchgeführt wurde“

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Die Solinger Superintendentin Dr. Ilka Werner äußert sich öffentlich zur ersten bundesweiten Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie (ForuM-Studie)

Solingen/ „Ich habe mich keiner Illusion hingegeben, dass es sexualisierte Gewalt bei uns nicht gäbe“, betont die Solinger Superintendentin Dr. Ilka Werner: „Aber die nun veröffentlichten Zahlen und Erkenntnisse erschüttern mich. Denn hinter den Zahlen steht jeweils ein individueller Mensch und ein individuelles Schicksal.“ Genau eine Woche nach der Veröffentlichung der ersten bundesweiten Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie (ForuM-Studie) gaben Superintendentin Werner, die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Solingen, Ulrike Kilp, und der Pressesprecher des Kirchenkreises, Pfarrer Thomas Förster, vor der Presse darüber Auskunft, welche Daten aus der Klingenstadt in die Studie eingeflossen sind und was die Evangelische Kirche in Solingen unternimmt, um sexuelle Übergriffe und Gewalt zu verhindern und geschehenes Unrecht aufzuarbeiten.

Ermutigung an Betroffene, sich zu melden

„Ich bin froh, dass die Studie durchgeführt wurde“, betonte die leitende Pfarrerin des Kirchenkreises: „Und ich schäme mich dafür, wenn viel zu oft die Nähe und Geborgenheit in unseren Gemeinden dafür ausgenutzt wurde, das Vertrauen von Menschen zu verraten und ihnen Gewalt anzutun.“ Ausdrücklich ermutigte sie von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen sich zu melden – auch wenn die Taten bereits Jahrzehnte zurückliegen. „Ich verspreche, dass wir Berichte über Gewalt ernstnehmen werden, dass wir gemeinsam mit den betroffenen Menschen versuchen werden, vergangene Taten aufzudecken, und dass wir alles uns Mögliche tun werden, um Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen.“ Das müsse gelten, weil es bei dem Thema nicht um Zahlen, sondern um konkrete Menschen und deren individuelles Leid gehe.

Kampf gegen sexualisierte Gewalt nicht am Anfang

Gleichzeitig wies Superintendentin Werner aber auch darauf hin, dass der Kirchenkreis beim Engagement gegen sexualisierte Gewalt nicht am Anfang stehe – auch wenn die Evangelische Kirche das Thema schon viel früher mit noch mehr Einsatz hätte angehen müssen. Bereits seit 2003 darf es in der gesamten Evangelischen Kirche im Rheinland einen ungeregelten Umgang mit Anzeigen sexualisierter Gewalt übrigens nicht mehr geben. Erfährt zum Beispiel eine Pfarrerin von Vorwürfen gegen einen Mitarbeiter, muss sie diese bei einer zentralen Stelle der Landeskirche melden.

Seit 2019 festes Verfahren bei Verdacht

Seit 2019 hängen in allen Solinger Gemeinde- und Jugendhäusern unter der Überschrift „Schutzort Kirche“ Hinweise, an wen Menschen sich wenden können, um Fragen, Beobachtungen oder Erlebnisse mit Grenzverletzungen oder sexualisierter Gewalt zu teilen. Bei einer entsprechenden Meldung wird ein festgelegtes Verfahren in Gang gesetzt, wie mit den Vorwürfen umzugehen ist. Ein so genanntes Interventionsteam prüft, ob die Gefahr weiterer Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung besteht. Es führt Gespräche, um die Situation zu klären, stimmt sich mit den Betroffenen ab und schlägt geeignete Maßnahmen vor. Zu dem Team gehören Dienstvorgesetzte wie spezielle geschulte Fachleute. Auch Mitarbeitende der nichtkirchlichen Solinger „Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche (FABS)“ gehören mit ihrer einschlägigen Erfahrung und ihrem Blick von außen dazu. Steht der Verdacht strafrechtlicher Verfehlungen gegen Minderjährige im Raum, werden immer die staatlichen Ermittlungsbehörden durch eine Anzeige informiert. Ist die betroffene Person erwachsen, entscheidet sie selbst darüber. „Die Erfahrung, dass ihnen von vornherein nicht geglaubt wird, sollen Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, bei uns nicht mehr machen“, verspricht Ilka Werner.

Schulungen, Führungszeugnisse und ein Verhaltenscodex

Seit 2021 gibt es außerdem verpflichtende Schulungen für alle haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden. „Seitdem haben wir bereits mehr als 400 Menschen für die Gefahren von Grenzverletzungen, Übergriffen und sexueller Gewalt sensibilisiert und zu Handlungsmöglichkeiten geschult“, berichtet Diakonie-Geschäftsführerin Ulrike Kilp. Hauptamtliche müssen sich schriftlich auf einen Verhaltenscodex verpflichten. Bei allen Neueinstellungen und bei Ehrenamtlichen für die Kinder und Jugendarbeit werden Erweiterte Führungszeugnisse angefordert. Nicht nur in den Gemeinden, sondern auch in den Einrichtungen des Diakonischen Werks seien Gefährdungsanalysen erstellt und detaillierte Schutzkonzepte entwickelt worden, um den Schutz vor Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung von anvertrauten Menschen fest im Alltag zu verankern, erklärt Kilp: „Das ist uns ganz wichtig, denn zu unserem Auftrag als Diakonie gehört es, dass Menschen, die in besonderer Weise Schutz benötigen, bei uns tatsächlich sicher sind.“

Drei Fälle aus Solingen

Aus Solingen seien mindestens drei Fälle in die Studie eingeflossen, berichtet Pressepfarrer Thomas Förster: In einem Fall habe die Staatsanwaltschaft nach einem Vorwurf mehr als zwei Jahre ermittelt und am Ende keinen Anlass für eine Anklage gesehen. In die Studie sei er trotzdem eingeflossen, weil er auch für die Frage, wie die Kirche mit Vorwürfen umgegangen ist, relevant war. In zwei weiteren Fällen hätten Betroffene sich nach mehr als 40 Jahren gemeldet, als die beschuldigten Pfarrpersonen bereits verstorben waren. Auch diese beiden Fälle wurden an die Landeskirche gemeldet und dort als tatsächliche Taten sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige behandelt. Nicht zum Gegenstand der Studie seien die sieben Fälle geworden, die das Interventionsteam seit 2021 insgesamt beraten habe: Manche hätten sich als unproblematisch aufgelöst, manchmal seien Grenzverletzungen festgestellt worden, aber kein Fall sei strafrechtlich relevant. „Aber in jedem einzelnen Fall war es gut und wichtig, dass sich Menschen gemeldet haben“, betont Förster, „denn nur so konnte die jeweilige Situation geklärt werden.“ Der Solinger Pressepfarrer erklärt auch, wie es nun weitergeht: Noch in diesem Jahr sollen die Vorbereitungen für regionale Aufarbeitungsstudien starten. Eine Studie wird die evangelischen Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe sowie die dazugehörende Diakonie umfassen. Förster: „Dann soll auch die Aufarbeitung in Solingen in eine neue Etappe gehen.“

Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen

Am 25. Januar 2024 hatten die Wissenschaftler vor der Presse die Ergebnisse der ForuM-Studie vorgestellt. An der unabhängigen Studie zum Zeitraum zwischen 1946 und 2020 waren in den letzten dreieinhalb Jahren Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen beteiligt: Soziale Arbeit, Geschichtswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie, forensische Psychiatrie, Sexualwissenschaft und Kriminologie.

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