Bergischer HC – TSV Hannover-Burgdorf 25:23 (11:15)
Solingen/ Der Bergische HC gewinnt gegen die TSV Hannover-Burgdorf ein nahezu verloren geglaubtes Spiel. 15:20 hieß es in der 42. Minute, als die Löwen zu einem in dieser Form seltenen Comeback ansetzten. Am Ende der spektakulären 60 Minuten feierten 1.516 Fans in der Solinger Klingenhalle ihren BHC für einen 25:23 (11:15)-Erfolg und eine der schönsten Handballgeschichten seit langer Zeit.
Nichts deutete in der ersten Halbzeit und in den Minuten nach Wiederanpfiff auf einen erinnerungswürdigen Abend aus BHC-Sicht hin. Die Löwen erarbeiteten zwar gute Chancen, scheiterten aber sehr häufig an Hannovers Torhüter Domenico Ebner. Der Schlussmann blieb konstant stark und entschärfte nicht nur Rückraumwürfe, sondern auch viele Abschlüsse aus sechs Metern. An dieses Level kamen Tomas Mrkva und später Christopher Rudeck zunächst nicht heran. Immer wieder setzte sich Nejc Cehte auf der rechten Rückraumseite durch, immer wieder landete der Ball auch dank des starken Spielmachers Veit Mävers bei den Kreisläufern der TSV, die jeweils trafen.
Blieben die Bergischen zunächst dran, mussten sie vor der Pause ein wenig abreißen lassen. Und auch nach Wiederanpfiff veränderte sich das Bild vorerst nicht. Mit 11:15 kamen die Hausherren aus der Kabine, und gleich die ersten beiden Würfe landeten in Ebners Fängen. Jeffrey Boomhouwer brachte seine Farben zwar auf 15:18 heran, aber nach einer Auszeit setzten sich die Gäste wieder auf 20:15 ab. Die Löwen standen mit dem Rücken zur Wand.
In Überzahl stellte Tom Kare Nikolaisen auf Pass von Linus Arnesson auf 16:20. Der Schwede war bei der Aktion übel im Gesicht erwischt worden, so dass Bastian Roscheck ebenfalls eine Zeitstrafe bekam und der BHC in doppelter Überzahl agieren durfte. Die Hannoveraner nahmen in ihrem Angriff den Torhüter heraus, um den personellen Nachteil offensiv zu verringern und kamen zum Abschluss. Rudeck brachte seine Füße an den Ball, musste aber mit dem Abpraller nach vorne leben. Weder Freund noch Feind erwischten die scharf abgewehrte Kugel, die sich – wie ferngesteuert – über das gesamte Spielfeld Richtung TSV-Gehäuse machte. Rudeck erkannte früh, dass er gerade dabei war, so etwas wie das Tor des Jahres zu schießen und riss die Arme hoch.
Das 17:20 war nicht irgendein Tor während der Aufholjagd, es war ganz sicher das kurioseste, aber wohl auch das entscheidende. Denn von einer Sekunde auf die andere sorgten die 1.516 Fans für eine magische Atmosphäre. Der Jubel brach über die Mannschaft herunter, die nach diesem Glücksmoment wie beflügelt wirkte. An der 5:1-Deckungsvariante bissen sich die Gäste nun mehr und mehr die Zähne aus, während der BHC Tor um Tor herankam. Emil Hansson stellte auf 18:20, Lukas Stutzke auf 19:20.
TSV-Coach Christian Prokop reagierte mit seiner letzten Auszeit. Cehte nutzte den nächsten Angriff zum 21:19 für die Gäste – und die Recken schienen aus ihrer Sicht wieder etwas Ruhe hereinbekommen zu haben. Tatsächlich sorgte in der Folge Domenico Ebner mehrere Male dafür, dass sich die Zwei-Tore-Führung komfortabel für die Hannoveraner anfühlte. Der Keeper parierte in dieser Phase unglaublich – sogar eine Doppelparade bei zwei Sechs-Meter-Würfen gelang ihm.
Doch trotz insgesamt 16 gehaltener Bälle des Schlussmanns ließ sich der BHC nicht mehr vom eingeschlagenen Weg abbringen. Die Abwehr stand, Rudeck lief nun ebenfalls zur Hochform auf, und Max Darj beendete eine siebenminütige Torflaute mit einem Heber zum 20:21. Er war es auch, der kurz darauf den ersten Ausgleich seit den Anpfiff erzielte. Die Gäste waren nun beeindruckt. David Schmidt brachte sein Team in Führung, Boomhouwer und Stutzke legten zum 24:21 nach. 90 Sekunden vor Schluss war der 9:1-Lauf perfekt, das Mega-Comeback gelungen, und die Party anlässlich des dritten Heimsieges 2022 konnte beginnen.
Löwengebrüll – die Stimmen zum Spiel
Christian Prokop: „Wir waren über 40 Minuten sehr gut im Spiel und haben unseren taktischen Plan sehr gut umgesetzt. So stand zu Recht zur Halbzeit eine Führung auf der Anzeigentafel. In der zweiten Halbzeit kommen wir mit der 5:1-Deckung des Gegners nicht so gut klar. Vor allem kommt aber sehr viel Unruhe durch verschiedenste Zeitstrafen für uns rein. Statt uns abzusetzen kommt der BHC in der Phase noch einmal. Wir scheitern dann an unserer Chancenverwertung, haben zweimal die Chance beim Stand von 19:21 auf vier Tore wegzugehen – machen es aber nicht. Und dann müssen wir gegen eine sehr dynamisch spielende Mannschaft vom BHC in den letzten 10 Minuten einwilligen. Das tut sehr weh und das Ganze müssen wir jetzt erst mal sacken lassen. Über 40 Minuten war ich aber sehr zufrieden mit der Leistung meiner Mannschaft.“
Sebastian Hinze: „Wir sind megaglücklich, dass wir das Spiel noch gewonnen haben. Ich finde, dass Hannover es defensiv sehr, sehr gut und diszipliniert macht. Sie haben in der ersten Halbzeit immer wieder Lösungen gegen unsere Defensive, die es im gebundenen Spiel nicht schlecht gemacht hat, gefunden. Zudem verlieren wir das Konterspiel in der ersten Halbzeit deutlich. Dass wir es nicht geschafft haben, den Knoten platzen zu lassen, lag aber vor allem an Hannovers Torwart Ebner. Wir haben in unserem Spiel 14 Bälle von sechs Metern liegen gelassen – gerade zu Beginn vom Kreis, wo wir wirklich gute Aktionen über den Kreis spielen. Das hat wehgetan, dass wir dadurch nicht so richtig ins Spiel gekommen sind. Wir haben dann vorsichtiger gespielt und nicht mehr mit der letzten Überzeugung agiert und sind so mit dem Rückstand in die Pause. In der zweiten Halbzeit machen wir das deutlich besser und die 5:1-Deckung ist sicherlich ausschlaggebend. Die Torhüterleistung haben wir zudem durch Rudeck auf unserer Seite. Glücklich, dass wir das Spiel noch drehen – aber da muss man als Mannschaft auch für bereit sein, den Weg in den letzten Minuten so zu gehen.“