Oberbürgermeister Kurzbach: Uns allen ist eine Mutter gestorben
Solingen/ Rund 1.000 Menschen nahmen am Dienstagnachmittag Abschied von Mevlüde Genç. Die Solingerin war am letzten Sonntag im Alter von 79 Jahren gestorben. Die Solinger Ditib-Gemeinde hatte zum Totengebet eingeladen.
Bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag hatte Mevlüde Genç 1993 zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren. Unmittelbar nach der Katastrophe rief sie Deutsche und Türken in Solingen zur Freundschaft und Versöhnung auf. Später wurde sie als Friedensbotschafterin von Bund und Land geehrt. 1996 bekam sie das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2015 den Verdienstorden des Landes NRW.
Das Totengebet fand an der Unteren Wernerstraße statt, in unmittelbarer Nähe zum damaligen Tatort. Verwandte, Freunde und viele weitere Trauernde aus Solingen, ganz Deutschland und der Türkei nahmen Abschied von Mevlüde Genç.
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach hob in seiner Trauerrede hervor: „Mevlüde Genç hatte ein unfassbar großes, wundervolles Herz. In all den Jahren, angefangen 1993 und danach immer und immer wieder, hat sie uns zugerufen: „Lasst uns Freunde sein“. Das hat sie gelebt. Das hat sie uns immer wieder mit wundervollen Worten in das Herz und in den Kopf gesetzt.“ An die Familie Genç gerichtet betonte er: „Euch ist die Mutter gestorben. Das ist ein schlimmer Schmerz. Ich bete mit euch.“ Und er fügte hinzu: „Uns allen ist eine Mutter gestorben, die uns alle in den Arm genommen hat und uns alle in ihr großes Herz eingeschlossen hat – immer und immer wieder.“
Gemeinsam mit vielen wolle er nun die Verantwortung dafür übernehmen, das Vermächtnis von Mevlüde Genç zu erfüllen. Sie habe ihn persönlich gebeten, dass Erinnern an die schreckliche Tat zu bewahren, nichts und niemanden zu vergessen, aber immer auch daran zu denken, dass die Liebe die stärkste Kraft sein soll. „Liebe Mevlüde, wir Solingerinnen und Solinger haben dir so viel zu verdanken. Wir werden dich nie vergessen. Und wir werden die Aufgabe, die du uns mit auf den Weg gegeben hast, immer hochhalten“, versprach Kurzbach.
An der Zeremonie nahmen auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), seine Stellvertreterin Mona Neubauer (Grüne), NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sowie der Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) und die Landtagsabgeordneten Josef Neumann (SPD) und Sebastian Haug (CDU) teil. Der Ministerpräsident betonte: „Mit Mevlüde Genç verliert unser Land ein großes Vorbild der Versöhnung. Wir werden ihr Wirken schmerzlich vermissen.“ Den Hass, die Gewalt und die Missgunst, die ihr entgegenschlugen, habe sie als Großherzigkeit und Toleranz zurückgegeben. Der Familie wünschte er viel Kraft. „Ich hoffe, dass Stück für Stück die liebende Erinnerung, die sie im Herzen tragen, die Oberhand gewinnt. Wir werden Mevlüde Genç ein ehrendes Andenken bewahren.“ Zu den Trauergästen gehörten auch Mitglieder des türkischen Parlamentes, der Botschaft und weitere Repräsentanten der Türkei sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Bundes- und Landtag sowie kommunaler Politik.
Unmittelbar im Anschluss an die Trauerfeier wurde der Sarg nach Köln gefahren und von dort in die Türkei überführt. Dort wird Mevlüde Genç ihre letzte Ruhestätte finden.