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PolitikVerkleinerung des Bundestages: Jürgen Hardt (CDU) hält Ampel-Vorschlag für verfassungswidrig

Verkleinerung des Bundestages: Jürgen Hardt (CDU) hält Ampel-Vorschlag für verfassungswidrig

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Jürgen Hardt, MdB (CDU): Verkleinerung mit der Brechstange – Warum ich gegen die Wahlrechtsänderung der Ampel stimmen werde

Berlin/ Wie das Problem eines über Gebühr großen Bundestages lösen? Dazu hatten wir in der Großen Koalition bereits für die Wahl 2021 eine Bremse eingeführt, die ab der Wahl 2025 verschärft wirksam wäre: Eine Kombination aus einer begrenzten Hinnahme nicht auszugleichender Überhang­mandate, verbunden mit der Reduzierung der Zahl der Wahlkreise auf 280 würde die Gefahr einer erheblichen Vergrößerung des Bundestages wirksam beseitigen und wäre gleichzeitig verfassungskonform. So stand es für die nächsten Bundestagswahlen verbindlich im Gesetz.

Die Ampel kippt nun dieses zur Verkleinerung des Bundestages geeignete und verfassungskonforme Gesetz. Der Gesetzentwurf der Ampel sieht vor:

  • Direkt im Wahlkreis durch Erststimme gewählte Abgeordnete kämen nicht in den Bundestag, wenn ihr Mandat ein Überhangmandat ist und deshalb wegfällt. Diejenigen Wahlkreise, die der Kappung zum Opfer fallen, sind nicht durch einen Direktkandidaten in Berlin vertreten. Berechnet auf das Wahlergebnis 2021 hätte z.B. die CSU in München 3 der 4 Wahlkreise direkt gewonnen, die Bürger Münchens wären aber nicht durch einen CSU-Politiker in Berlin vertreten, obwohl die CSU in München bei der Wahl nach Erst- und Zweit­stimmenergebnis klar vorne lag. Denn die Münchener CSU-Direktmandate wären allesamt gekappt worden. Weitere CSU-Wahlkreise und gewonnene Wahlkreise der CDU in Baden-Württemberg fielen ebenfalls weg. Das kann den Wählern in betroffenen Wahlkreisen nicht erklärt werden. Gerade die regionale Verwurzelung der Abgeordneten ist ja ein großes Plus unseres Wahl­systems. Die Ungleichbehandlung, dass einzelne Wahlkreise durch Direktkandidaten in Berlin vertreten sein werden und andere nicht, ist aus meiner Sicht klar verfassungswidrig.
  • Die Kappung der relativ schlechtesten Wahlkreise nach dem absoluten Stimmergebnis setzt voraus, dass alle Wahlkreise auch gleich groß sind. Wahlkreisgrenzen müssen deshalb neu gezogen werden, quer durch Stadt- und Landkreisgrenzen. Weil diese Neufestlegung von Wahlkreisen viel Ärger in sich birgt, sieht das Gesetz dies erst ab der übernächsten Wahl vor – warum aber kann dann die Kappung bereits mit der nächsten Wahl einsetzen? Dies wird nicht nur die Richter am Bundesverfassungs­gericht beschäftigen. Die vielen Kanten und Klippen bei der Neufestlegung nahezu aller Wahlkreisgrenzen werden noch dafür sorgen, dass die Kollegen der SPD ihre unbedachte Entscheidung verfluchen.
  • Ebenso fragwürdig ist, dass durch den Wegfall der sogenannten Grundmandats­klausel auch direkt gewählte Abgeordnete von Parteien, die bundesweit die 5 Prozent Stimmenanteil nicht erreichen, kein Mandat zugeteilt bekommen. Diese Regelung richtet sich klar gegen regional starke Parteien, z.B. die Linke in Berlin oder die CSU in Bayern. So wäre die CSU, selbst wenn sie wie heute 45 Direktmandate erzielte, gar nicht im Bundestag vertreten, wenn sie, gerechnet auf ganz Deutschland, 5 Prozent verfehlte, also in Bayern Ergebnisse in der Nähe von 40 Prozent nicht erreicht. Dann gäbe es – bis auf vielleicht einige wenige Grüne Wahlkreis-Gewinner – gar keine direkt gewählten Abgeordneten aus Bayern. Für mich ist unvorstellbar, dass dies mit unserer Verfassung vereinbar ist.
  • Gleichzeitig eröffnet das neue Wahlrecht enorme „Gestaltungs-“, um nicht zu sagen Missbrauchs­möglichkeiten. Denn parteiunabhängige Einzelbewerber, die ihren Wahlkreis gewinnen, haben ihren Bundes­tagssitz sicher. Was wäre, wenn die SPD, die CDU oder die CSU in ganz starken Wahlkreisen, etwa im Ruhrgebiet, in Schleswig-Holstein oder in Niederbayern, auf Parteikandidaten verzichten und stattdessen parteinahe aussichtsreiche Bewerber unterstützten? Dann könnten sie Abgeordnete verstärkt gemäß Zweitstimmen-Ergebnis in den Bundestag entsenden. Der Bundestag wäre abermals größer, das Ergebnis erheblich verzerrt – zugunsten der großen Parteien, die dann die ihnen nahestehenden „Unabhängigen“ gerne in ihre Fraktionen aufnehmen, während Grüne und FDP diese Gestaltungsmöglich­keit nicht hätten. Auch das kann nicht im Sinne der Verfassung sein. Ob das allen Kolleginnen und Kollegen in der Ampel eigentlich bewusst ist?
  • Bemerkenswert ist auch, dass sich die Ampel-Koalition sang- und klanglos vom Ziel 598 Abgeordnete verabschiedet hat und nun 630 Abgeordnete vorsieht. Das mag daran liegen, dass durch diese Erhöhung die Abgeordneten der SPD wohl keine Kappung von Direktmandaten zu befürchten hätten. Diese Regelung trifft nach heutigem Ermessen nur CDU und CSU. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Die Unionsfraktion hat es sich aufgrund der Vielfalt in unserer Parteienfamilie und mit dem Ziel eines demokratischen Konsenses mit der Reform des Wahlrechts nicht leicht gemacht. Wir haben uns für eine wirksame Verkleinerung des Bundestages in zwei Schritten – 2021 und 2025 – entschieden und dies gemeinsam mit der SPD zu einem verfassungskonformen Gesetz gemacht. Dabei bleiben wir, wird sind zu weiteren systemkonformen Schritten bereit. Leider betreibt die Ampel die Veränderung unseres Wahlsystems mit der Brechstange und leider auch aus parteipolitischem Kalkül. Nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Wähler sollte daraus seine Schlüsse ziehen.

Zur Ausgangslage: Seit den 50er Jahren werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem „personalisierten Verhältniswahlrecht“ gewählt. Jeder Bürger hat zwei Stimmen: Die Erststimme für die Wahl des bevorzugten Kandidaten in einem der 299 Wahlkreise am Wohnort, die Zweitstimme für die bevorzugte Partei. Gewählt ist, wer in dem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen erreicht. Bis zur Gesamtzahl von in der Regel 598 Abgeordneten im Bundestag wird entsprechend dem Zweitstimmen-Ergebnis über die Landeslisten der Parteien aufgestockt. Dabei werden die bereits direkt über die Erststimme in den Wahlkreisen Gewählten angerechnet. Wenn eine Partei mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zustehen, so gelten die überzähligen Direktmandate als „Überhangmandate“.

Über Jahrzehnte haben wir in Deutschland akzeptiert, dass dadurch die rein proportionale Zusammensetzung des Parlaments leicht verzerrt werden konnte. Die wenigen Überhangmandate erhöhten die Zahl der Abgeordneten leicht und gaben den vor Ort besonders beliebten Parteien einen kleinen Vorteil. Das ist auch nicht ungewöhnlich: Nahezu kein anderes demokratisch gewähltes Parlament in der Welt hat strenge Proportionalität.

Dann aber hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies nicht so sein darf: Überhangmandate müssen für die übrigen Parteien solange ausgeglichen werden, bis vollständige Proportionalität hergestellt ist. Diese Festlegung des Bundesverfassungsgerichts sorgt dafür, dass die Zahl der Abgeordneten nun deutlich über den 598 Abgeordneten gemäß Wahlgesetz liegen kann – so 2017 und 2021.

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