Bergisches Land/ Zwei Minuten vor Schluss steht das Spiel zwischen der HSG Wetzlar und dem Bergischen HC auf das Messers Schneide. Der größte Teil der 3.256 Fans buht die Gäste in ihren Angriffen aus, weil ein zuvor geahndeter Schrittfehler gegen die Heimmannschaft sie auf die Palme gebracht hat. Der BHC aber bleibt cool, trifft durch Yannick Fraatz zum 30:28 und verlässt wenige Momente später als 32:28 (16:16)-Sieger das Feld.
Dieses Ergebnis hatte sich die Mannschaft vor allem in der zweiten Halbzeit erarbeitet. Zur Pause brachte Trainer Jamal Naji für den nicht schwach haltenden Christopher Rudeck Peter
Johannesson zwischen die Pfosten – ein Impuls, der Wirkung zeigte. Nicht nur drehte der Schwede in einigen Phasen auf und nahm auch ein paar glasklare Chancen weg, die Abwehr
funktionierte insgesamt besser und war Grundstein des BHC-Erfolgs.
Wetzlar mühte sich oft stark, um zu guten Gelegenheiten zu kommen. Die BHC-Ideen hingegen führten häufig zum Tor. So erarbeiteten sich die Gäste nach dem 16:16 zur Pause zunächst einen Zwei-Tore-Vorsprung durch Noah Beyer und Djibril M’Bengue, die beide über die vollen 60 Minuten ohne Fehlwurf blieben. Die Führung gaben die Löwen zwar nie wieder aus der Hand, doch knifflig wurde es noch ein einige Male. So verkürzte Wetzlar per Doppelschlag auf 21:22 und profitierte von einer Zeitstrafe gegen M’Bengue. Der BHC überstand die brenzlige Situation, auch weil Johannesson entscheidend eingriff.
Und auch nach M’Bengues 26:23 schienen die Bergischen bereits auf der Siegerstraße zu sein. Einfach aber war in der stimmungsvollen Arena am Freitagabend gar nichts. Eine Hinausstellung gegen Frederik Ladefoged, ein technischer Fehler im Angriff, und sofort war es wieder eng. Die Löwen brachte allerdings nichts nachhaltig aus der Ruhe. Angefeuert von mindestens 100 mitgereisten Fans überstanden sie auch Situationen, in denen Wetzlar Oberwasser hätte bekommen können – wie unmittelbar vor der Crunchtime, als Beyer, Tomas Babak und wieder Beyer ganz wichtige und beruhigende Treffer landeten.
Zwei Minuten vor Schluss zählte es, Fraatz traf, und Wetzlar versuchte es mit aller Gewalt. Die beiden Ballverluste bestraften Aron Seesing und Beyer mit den Toren 31 und 32. Mit dem dritten Pflichtspielsieg in Serie verlässt der BHC nun für diesen Spieltag definitiv den letzten Tabellenplatz und springt vorerst sogar auf Rang 13.
In der ersten Hälfte hatte sich noch keine Mannschaft einen nennenswerten Vorteil erspielt. Das 16:16 wurde dem Verlauf gerecht. Der BHC erwischte mit 4:1 den besseren Start, aber wenig später erzielten die Gastgeber fünf Treffer in Serie, von denen sich die Gäste wieder erholen mussten. Wetzlar nahm dem BHC weitgehend die Kreiskooperation weg, so dass er andere Lösungen gesucht und gefunden hat. Die Löwen hatten gleichzeitig defensiv längst nicht so viel Zugriff wie in der zweiten Hälfte.
Bemerkenswert: Nicht nur Yannick Fraatz gab nach einer Gehirnerschütterung sein Comeback inklusive dem wohl wichtigsten Tor des Matches. Auch Elias Scholtes war nach überstandenem Fußbruch wieder mit dabei. Der Linkshänder fügte sich in seinen ersten Minuten der Saison bestens ein und traf direkt bei seiner Angriffspremiere. Insgesamt entlastete er mit drei Toren und zwei Assists immer wieder erfolgreich den etwas kränkelnd ins Spiel gegangenen und trotzdem starken Djibril M’Bengue.
Löwengebrüll – Stimmen zum Spiel
Jamal Naji: „Erstmal sind wir sehr zufrieden mit dem Sieg. Wir hatten uns auf ein hartes Spiel
eingestellt und genau das haben wir auch bekommen. Wetzlar ist in einer guten Verfassung und man merkt, dass die Entwicklung bei ihnen deutlich in die richtige Richtung geht. Natürlich hatten wir gehofft, dass wir die HSG in einem anderen Stadium ihrer Entwicklung bekommen, aber wir mussten uns dem heute dann entgegenstellen und das haben wir getan. Dabei hat uns sehr geholfen, dass bei uns wieder Spieler mit dabei sind, die am Anfang der Saison nicht da waren. Zur Taktik muss ich gar nicht viel erzählen. Ich glaube, dass unser großer Vorteil heute einfach war, dass wir ohne Substanzverlust wechseln konnten. Wir haben heute viele Spieler mit um die 30 Minuten auf der Platte. Im positiven Sinne sehr überraschend für mich die Rückkehr von Elias Scholtes: Er kam in der ersten Halbzeit rein und hat einfach da weitergemacht, wo er aufgehört hat. Natürlich hatten wir uns ein bisschen Entlastung für Djibril erhofft, aber dass Elias dann direkt so dominant war, ist schon echt bemerkenswert. Insgesamt war es in der zweiten Halbzeit ein deutlich besseres Spiel. Beide Mannschaften haben nicht mehr so hektisch und früh abgeschlossen wie noch in der ersten. Und beide Mannschaften glauben an den Sieg. Kurz vor dem Ende kann es in beide Richtungen kippen. Wir haben dann vielleicht so ein stückweit das Glück des Tüchtigen und gewinnen das Spiel am Ende in meinen Augen dennoch verdient.“
Frank Carstens: „Glückwunsch an den BHC zu einem verdienten Sieg. Sie waren heute genau diese Differenz besser als wir. Wir haben in der ersten Halbzeit das, was wir in den letzten Wochen sehr gut gemacht haben, nicht so auf die Platte gebracht. Uns ist es über weite Strecken der ersten 30 Minuten überhaupt nicht gelungen, genügend Druck auf die Rückraumschützen zu bekommen. Damit haben wir unsere Torhüter in der Abwehr nicht unterstützt und letztlich so ein bisschen aus dem Tritt gebracht, denn insgesamt brauchen wir mehr Paraden, um das Spiel zu gewinnen. Mit der Angriffsleistung bin ich insgesamt zufrieden, auch wenn man natürlich über einzelne Momente sprechen könnte, wie zum Beispiel unser schlechtes Überzahlspiel in einer entscheidenden Phase kurz vor dem Ende. Letztlich war die kämpferische Leistung von uns überragend. Die Mannschaft hat bis zum Schluss an ihre Chance geglaubt, alles reingeworfen, was sie hatte und um jeden Zentimeter hier gekämpft. Heute hat es nicht gereicht. Wir werden das analysieren und beim nächsten Mal besser machen.“